Oberstreu und Mittelstreu feierten 1996 die erste urkundliche Erwähnung vor 1.200 Jahren. Die Gemeinden haben das - wie viele andere Gemeinden aus dem Rhön und Grabfeld - der Gründung des Klosters Fulda (744 durch Bonifatius) zu verdanken. Mancher Grundherr machte damals zu Zeiten Karls des Großen - zur Rettung seines eigenen Seelenheils - dem Kloster großzügige Schenkungen. Unter ihnen auch Ernust und seine Frau Wartrun, die (frühestens 796) ihr gesamtes im Dorf Streuu ererbtes Vermögen (Ackerland, Wälder, Wiese, Gewässer, Häuser, Vieh plus 48 Leibeigene, davon 21 namentlich genannte) dem Kloster Bonifatius übertrugen.
Diese Tatsachen wurden auf Pergament festgehalten und durch Zeugen bestätigt. So entstanden viele fuldischen Schenkungsurkunden, die leider nicht immer ein Datum trugen und die - leider - alle nicht mehr existieren. Dass die erste schriftliche Erwähnung von "Streuu" (deshalb feierten die beiden Orte gemeinsam) dennoch ziemlich genau ist, ist dem Fuldaer Abt Hrabanus Maurus zu verdanken. Er ließ die fast 2.000 fuldischen Originalurkunden abschreiben und nach Landschaften geordnet in 8 Bände (Cartulare) zusammenfassen.
Das Grabfeld-Calendular, das auch die Abschrift der Ernestus-Schenkungsurkunde enthielt, wurde Anfang des 17. Jahrhunderts in der reichsgräflichen Bibliothek in Hechingen/Württ. entdeckt und von Johann Pistorius gedruckt. Dieser Druck ist die einzige historische Quelle und diese ist nach den Feststellungen von Dr. Heinrich Wagner (Historischer Atlas von Bayern, Mellrichstadt), wie die Urkundenabschriften aus dem 9. Jahrhundert, ebenfalls unwiederbringlich verloren.
Trotz allem gibt es ein Besitzerverzeichnis, das in Auszügen die Urkunden an das Fuldaer Kloster enthält. Mönch Eberhard listete um 1160 die Schenkungen auf (manchmal soll er dabei zu Gunsten des Klosters gemogelt haben) und gestaltete sie auf wunderschönen Pergamentblättern. Im hessischen Staatsarchiv Marburg wird der Codex Eberhardi aufbewahrt. Die deutsche Übersetzung des den Ort Streu betreffenden Textes lautet: Ernust und seine Frau Waltrut (Wartrun) haben Gott und dem Heiligen Bonifatius ihre Güter in Strowa (Strouwa) mit 48 Manzipien übertragen.
Auch wenn die Schenkungsurkunde undatiert ist, das Jubiläum der 1.200 Jahrfeier in den Gemeinden war sehr wohl vertretbar, denn 796 war das erstmögliche Jahr der Urkundenentstehung. Zur Zeit Karls des Großen, um das Jahr 800, war die typische Siedlungsform nicht das geschlossene Dorf, sondern inliegende Hofgruppen mit dem Sal - oder Fronhof eines Grundherrn. Zwischen den beiden Ortschaften haben - davon ist auszugehen - mehrere Hofgruppen bestanden. Darauf lässt der Flurname "Hosset" (Hofstatt) in der Au, rund 200 Meter südlich von Oberstreu gelegen, schließen.
Ernust und Waltrut (Wartrun) schenkten mit "Strouwe" dem Kloster Fulda nur, was sie von ihren Eltern ererbt hatten. Die Frage, ob sie kinderlos waren oder Strouwe nur ein Teil ihrer Besitzungen war, kann niemand mehr beantworten.